"Schicksalhafte Kette bis nach Russland"

01.11.2005

Da kocht die Volksseele: Unmittelbar vor Beginn der Heizperiode steigen die Erdgaspreise - von hoch auf noch höher. Diese Kopplung an den Ölpreis tragen die Verbraucher auch in Schaumburg nicht mehr mit: Die regionalen Energieversorger haben mit mehr Widersprüchen zu kämpfen. Und dabei ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Intern werden weitere Preiserhöhungen noch für diesen Winter diskutiert.

Vergleichsweise gut stehen die Kunden der Stadtwerke Rinteln und der Stadtwerke Schaumburg-Lippe da. Das hat unsere Zeitung errechnet: Die beiden Energieversorger im Landkreis Schaumburg liegen in einem Vergleich mit den umliegenden Anbietern aus Minden, Porta Westfalica und Hameln auf einem relativ moderaten Preisniveau. Für einen angenommenen Durchschnittsverbrauch von 20 000 Kilowattstunden im Jahr muss eine Familie bei den Stadtwerken Rinteln einen Bruttopreis von 1068,44 Euro berappen, mit 1087,12 Euro liegen die Stadtwerke Schaumburg-Lippe nur knapp darüber. 1102,56 Euro werden bei den Stadtwerken Porta Westfalica fällig. Spitzenreiter sind die Stadtwerke Minden mit 1134 Euro und die Stadtwerke Hameln mit 1134,48 Euro.

Die Verantwortung für die erneute Preiserhöhung zum 1. August (Minden), 1. Oktober (Schaumburg-Lippe, Porta, Hameln) oder zum 1. November (Rinteln) weisen die regionalen Energieversorger indes weit von sich. "Wir geben nur die erhöhten Bezugskosten weiter", verweist Jürgen Peterson, Geschäftsführer der Stadtwerke Rinteln, auf die höheren Preise der E.ON Ruhrgas als Vorlieferant. Ähnlich umreißt Karl Schleef, Geschäftsführer der Stadtwerke Schaumburg-Lippe, die Abhängigkeit regionaler Energieversorger von Lieferanten und Produzenten: "Wir hängen schicksalhaft in einer Kette, die bis nach Norwegen oder Russland reicht."

Am anderen Ende dieser Kette steht der Verbraucher. Und der wehrt sich:Über 50 Kunden haben bei den Stadtwerken Rinteln gegen die ab heute geltenden Preise Widerspruch eingelegt - knapp vier Mal so viele wie bei der letzten Preiserhöhung im Oktober vor einem Jahr. Was die Verbraucher fordern, ist eine Offenlegung der internen Kalkulation, um die ständig steigenden Preise nachvollziehen zu können. Laut Schleef sehen die Stadtwerke Schaumburg-Lippe hierfür aber "keinen Anlass". Auf verbraucherfreundlicherer Ebene argumentiert hingegen Peterson für die Stadtwerke Rinteln: "Wir werden uns dem nicht verschließen."

Die Ölpreisbindung hält Schleef für ein "sinnvolles Instrument, um den Kunden vor einer möglichen Preiswillkür im Gasmarkt zu schützen". Gegeben sei die Gefahr einer solchen Willkür, weil Deutschland hauptsächlich aus drei Quellen beliefert werde - von Norwegen, Russland und den Niederlanden. Außerdem würde sich Schleefs Einschätzung zufolge der Gaspreis auch ohne Bindung am Ölpreis orientieren: "Ein Produkt orientiert sich an seinem Wettbewerber - und Öl und Gas stehen nun einmal miteinander im Wettbewerb."

Während das Erdgas-Geschäft für die Stadtwerke Rinteln nur ein gutes Drittel ihres Umsatzes ausmacht (das Hauptgeschäft liegt im Stromsektor), ist die Gasversorgung für die Stadtwerke Schaumburg-Lippe die umsatzstärkste Sparte. Deswegen hat das Unternehmen laut Schleef "die Gaspreise im Fokus"- zu einer erneuten Erhöhung noch in diesem Winter äußert er sich aber zurückhaltend: "Es ist noch nichts beschlossen."

Schaumburger Zeitung, 01. November 2005