Sauberer ist billiger: Bald weniger Stickstoff in die Weser

03.06.2011

Pilotanlage im Klärwerk soll Belastung des Abwassers senken / Forschungsprojekt der Universität Hannover angelaufen

Rinteln (dil). Die Kläranlage am Doktorseeweg steht nie still – und sie geht mit der Zeit. Weniger Stickstoff in die Weser ableiten, ist das aktuelle Ziel. In den vergangenen Monaten wurden über den früheren Trockenbeeten eine Betonplatte gebaut, auf der sich nun Tanks und Leitungen befinden. Und viele Bakterien, aber noch nicht genug.

Eigentlich soll die neue Anlage erst Ende Juni/Anfang Juli dem Werksausschuss des Abwasserbetriebs der Stadt Rinteln vorgestellt werden, doch eine Besuchergruppe des Stadtmarketingvereins Pro Rinteln hatte bei der Aktion „Erlebnis Unternehmen“ jetzt schon Gelegenheit, die jüngste Erweiterung der Kläranlage von außen zu sehen.

„Erst Ende Juni sind die Bakterienkulturen so weit, dass die Anlage vollständig laufen kann“, erklärte Peter Koller, Werkleiter des Abwasserbetriebs. Ziel der sechsstelligen Investition sei es, die Stickstoffzuführung zur Kläranlage um bis zu 70 Prozent zu senken, was den Stickstoffgehalt in dem zur Weser abzuleitenden Wasser um mindestens weitere zwei Prozent mindern würde. „Damit sparen wir dann wieder bei der Abwasserabgabe an das Land Niedersachsen.“ Bisher wird auf der Kläranlage dafür das „Strebverfahren“ (SBR) angewendet, bei dem die Nitrifikation und die Denitrifikation in zwei Behältern stattfinden, die neue Anlage erledigt das in einem.

Die Investition wurde in drei Schritten realisiert, seit Mitte Mai läuft nun der Probebetrieb in der Pilotanlage. „Er wird als Forschungsprojekt von der Universität Hannover begleitet, ebenso von der Anlagenbaufirma und dem planenden Fachingenieur-Büro“, erklärte Koller. Durch den harten Winter habe sich der Aufbau der Anlage etwas verzögert. Im Juli oder August soll der Vollbetrieb aufgenommen werden.

Früher befand sich die Kläranlage auf dem Gelände des heutigen Pferdemarkts, heute steht dort ein Parkhaus. Die jetzige Zentralkläranlage wurde von 1960 bis 1965 gebaut, bekam Erweiterungen 1989, 1996 und 2007. Die Aufbereitung des Schmutzwassers erfolgt in drei Schritten: mechanisch, biologisch und chemisch. Mit der neuen Anlage kommt nun ein vierter Schritt hinzu.

Bei der mechanischen Reinigung werden mit einem Stufenrechen und Sandfang im Abwasser mitgeführte Feststoffe entfernt. Im belüfteten Sandfang sinken durch eingeblasene Luft im Wasser befindliche Feststoffe rasch ab.

Die biologische Reinigungsstufe setzt sich zusammen aus Becken, in denen Phosphor biologisch abgetrennt sowie Stickstoff aus dem Abwasser herausgelöst wird (entweicht in die Atmosphäre) und dem Nachklärbecken. Hier werden fein zerteilte organische Schmutzstoffe durch Mikroorganismen abgebaut – wie beim Selbstreinigungsprozess in natürlichen Gewässern.

Mit Fällungsmitteln wird der im Abwasser vorhandene Schwefel und Phosphor gebunden und in Klärschlamm eingelagert. Dieser stabilisiert sich dann in Faultürmen. Dabei entsteht Klärgas, das im Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von Wärme und Strom zum Eigenverbrauch eingesetzt wird. Der nach der Stabilisierung entstehende Klärschlamm wird über einen Dekanter unter Zugabe von Flockungsmittel und Kalk (zur Hygienisierung) an einen Lohnunternehmer abgegeben, der ihn auf heimischen Äckern ausbringt. Die Landwirte müssen dafür nicht bezahlen, sondern bekommen etwas für diesen nützlichen Beitrag zur Verwertung, erklärte Koller. Und die Nachfrage ist groß genug. Bis zu 1500 Tonnen werden pro Jahr abgegeben. Die Abgabe von mit Flockungsmittel konditioniertem Klärschlamm ist vorläufig , bis 2016 ist diese Abgabe zulässig.

28 Mal im Jahr wird die Rintelner Kläranlage von der unteren Wasserbehörde Landkreis überprüft. Im Labor der Kläranlage laufen außerdem ständig Eigenkontrollen von Proben. Manchmal hilft aber auch schon die Sichtkontrolle an der Eingangsschnecke. „Da haben wir schon mal einen in Exten in der Toilette verlorenen Ehering gefunden, aber auch aggressive Schildkröten“, erzählt Koller.

Die Feststellung unzulässiger Einleitungen ist kein großes Problem mehr, die Herkunft kann bis zu zwei Tage zurückverfolgt werden. Das hat sich wohl herumgesprochen. So findet sich fast nur Organisches in den Zuläufen. „Wir sind hier das Ende der Verdauungskette“, schmunzelt Koller. „Hier kommt alles an, was in den Kanal gelangt.“

Beim Rundgang über das Klärwerksgelände am Doktorseeweg erfahren die Besucher viel über Absatzbecken, Faultürme und das Blockheizkraftwerk für die Verwertung der Faulgase. Neu ist die Anlage zur Reduzierung des Stickstoffgehalts im Abwasser (unteres Bild), die noch im Probebetrieb läuft.

© Schaumburger Zeitung, 03.06.2011, Fotos: dil