Keime in neuen Wasserzählern

19.11.2014

Gesundheitsamt stoppt Einbau: Gefahr für Kleinkinder, Senioren und Kranke

Bei den Rintelner Stadtwerken war man gerade dabei, alte Wasserzähler gegen neue auszutauschen mit Kunststoffgehäuse statt Messing, Ringkolbenzähler statt Flügelradzähler. Eine Aktion, die jetzt das Gesundheitsamt gestoppt hat.

Denn im fernen Hamburg und in Köln hat man bei Wasseranalysen ein neues Bakterium in Wasserzählern entdeckt: Pseudomonas aeruginosa. Das Ungewöhnliche daran: Die Keime steckten in fabrikneuen Wasserzählern, in Hamburg sogar in 13 neu gelieferten Wasserzählern.

Das Bakterium ist kein Killer wie die berühmten Legionellen, an denen schon Menschen gestorben sind, aber für Kleinkinder, Immungeschwächte und Senioren nicht ganz unbedenklich. Ute Melchiors vom Gesundheitsamt des Landkreises Schaumburg in Stadthagen formulierte das so: Grundsätzlich gefährdet seien Menschen mit geschwächtem Immunsystem „Ein kerniger, gesunder Dreijähriger wird sich keine Infektion holen. Für gesunde Menschen geht von diesem Bakterium keine Gefährdung aus.“

Und was könnte Pseudomonas aeruginosa auslösen? Beispielsweise eine Mittelohrentzündung, eine Entzündung der Harnwege oder eine Wundinfektion, schilderte Melchiors in einem Telefongespräch. Deshalb sind solche Keime vor allem in Schwimmbädern nicht erwünscht. Bei den Wasserzählern in Generalverdacht: der Kunststoff. Dort könnten sich die Keime entwickeln. Und: Bisher hat man den Keim nur in Wasserzählern eines einzigen Herstellers gefunden.

Um Wasserzähler zu eichen, muss, logisch, Wasser durch den Zähler laufen. Möglicherweise mutmaßen jetzt Fachleute, war das Prüfwasser bei diesem Hersteller verunreinigt. Der Wasserzähler wird nach der Eichung dann zwar zum Trocknen abgestellt, aber ob sich tatsächlich kein Tröpfchen Flüssigkeit mehr im Gehäuse befindet, wenn es beim Hersteller verpackt und an die Wasserwerke geliefert wird, das war bisher offensichtlich nicht die Frage.

Für das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Hannover ein Anlass das mögliche Problem generell anzugehen. Die Befehlskette wurde in Gang gesetzt: Das niedersächsische Landesgesundheitsamt informierte die Gesundheitsämter der Landkreise, also auch in Schaumburg. Die untersagten daraufhin in einem Schreiben den Stadtwerken neue Wasserzähler einzubauen, gleich welchen Fabrikats.

Gleichzeitig wurden alle Stadtwerke, also auch die in Rinteln, vom Gesundheitsamt des Landkreises veranlasst, Trinkwasserproben abzugeben – und zwar aus „allen Einrichtungen in ihrem Versorgungsgebiet, in denen sich immungeschwächte Personen aufhalten. Das sind insbesondere Krankenhäuser, Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen zur Kinderbetreuung, also Kindergärten, Tagesstätten und Grundschulen, in denen im Jahr 2014 ein neuer Wasserzähler eingebaut worden ist.“

So steht es im offiziellen Anschreiben des Landkreises vom 5. November: „Die Beprobung des Wassers aus dem Wasserzähler hat an einer desinfizierten Probenannahmestelle, die sich möglichst nah am Wasserzähler befindet, nach nächtlicher Stagnation zu erfolgen.“

Nach Informationen dieser Zeitung ist in Rinteln kein Befund bei diesen Proben festgestellt worden.

Für die Stadtwerke stellt sich bei dieser Sachlage das ganz praktische Problem, was tun, wenn bei einem Kunden ein Wasserzähler defekt wird oder ein gerade neu gebautes Haus einen Wasseranschluss bekommen soll? „Selbstverständlich lassen wir dann keinen Kunden ohne Wasser“, betonte Technikchef Thomas Sewald gestern auf Anfrage. „In solchen Fällen bauen wir ein Passstück ein und schätzen den Wasserbedarf, bis das Problem gelöst ist.“

Im Internet findet man auch viele skeptische Stimmen, die in der Kampagne des Ministeriums und Landesgesundheitsamtes eine Überreaktion sehen. Skeptiker sagen: Den Keim habe man jetzt nur gefunden, weil es inzwischen die entsprechenden Analysemethoden gebe. Unter Laboranten wird der Erreger spöttisch „Pfützenkeim“ genannt, weil er praktisch überall vorkommt, wo Wasser ist. Deshalb sagen die auch: „Wenn Sie in eine Pfütze fallen, nehmen Sie 1000 Mal mehr Pseudomonas aeruginosa auf, als sie es durch Wasser aus der Leitung je könnten, ohne dass deshalb in ganz Deutschland alle Pfützen trockengelegt werden.“

Aktuelles Thema ist auch weiterhin die steigende Nitratbelastung des Trinkwassers im „Schweinegürtel“ in Norddeutschland. Dieses Problem habe man in Rinteln nicht, so Sewald: „Weil wir rechtzeitig mit der IG Weser, der Interessengemeinschaft der Wasserversorgungsunternehmen gemeinsam mit Landwirten Standards für die Bewirtschaftung von Ackerland und Wiesen entwickelt haben. Bei uns sinkt die Nitratbelastung sogar.“

Wer sich für Rintelner Trinkwasserqualität interessiert, kann sich die laufenden Analysen der einzelnen Brunnen auf der Homepage der Stadtwerke ansehen. Beispiel Heinekamp: Die Prüfer fanden keine Coliformen Bakterien oder Escherichia coli, 12,7 Milligramm Nitrat (Brunnen 1) und 8,0 Milligramm (Brunnen 2). Der Grenzwert liegt bei 50 Milligramm pro Liter.

© Schaumburger Zeitung, 19.11.2014