Im Sommer wird neu gerechnet

16.01.2015

Seit sich Erdgas vom Ölpreis abgekoppelt hat, ist die Lage unübersichtlich geworden

Rinteln. Seit gut einem Jahr sinkt der Ölpreis. Damit müsste auch Erdgas billiger werden, sollte man meinen, denn die meisten Verbraucher haben noch in Erinnerung, dass der Gaspreis immer an den Ölpreis gekoppelt war. Damit sind die Erwartungen hoch, dass der Gaspreis ebenfalls mächtig in den Keller rauscht. Doch so einfach ist die Lage nicht.

Zunächst das Positive: Thomas Rinnebach, Vertriebschef und Prokurist der Stadtwerke Rinteln, versicherte in einem Gespräch, im Sommer dieses Jahres werde man bei den Stadtwerken über den Gaspreis für das Jahr 2016 reden, da auch die Stadtwerke beim Einkauf von den derzeit günstigen Preisen profitieren. Doch über konkrete Zahlen zu spekulieren mache jetzt noch keinen Sinn.

Zur Erinnerung: Gas ist ursprünglich ein Abfallprodukt der Erdölgewinnung. Es war in den 60er Jahren, als man auf die Idee gekommen ist, es wäre doch vernünftiger, Erdgas in Heizenergie umzuwandeln, statt das Zeug einfach in die Luft zu blasen oder abzufackeln. Doch damit der neue Energieträger auch in die Haushalte transportiert werden konnte, mussten deutschlandweit Leitungen gebaut, eine Infrastruktur gesichert werden. Auch in Rinteln wurden großflächig Gasleitungen verlegt. Das gesamte deutsche Erdgasnetz ist heute über 530000 Kilometer lang.

Die Frage war also, was soll Erdgas den Verbraucher kosten? Um die nötigen Investitionen in Leitungen und Verteilerstationen einigermaßen planen zu können, hat man sich damals darauf geeinigt, den Gaspreis an den Ölpreis zu koppeln, wenn auch zeitversetzt.

„Heute Schnee von gestern“, sagt Rinnebach, „seit rund vier Jahren ist der Anker Ölpreisbindung weg. Erdgas wird genauso wie andere Energieformen, also beispielsweise wie Pellets und Holz frei auf dem Wärmemarkt gehandelt. Daraus folgt, dass bei der Gaspreisgestaltung auch andere Mechanismen wie Politik und Spekulation ins Spiel kommen“.

Das wirkt sich langfristig aus. So hat beispielsweise die Vertriebsabteilung der Stadtwerke bereits 2014 Gasmengen für die Jahre 2015 und teilweise 2016 gesichert. Damals war zu befürchten, dass der Gasstreit infolge der Ukrainekrise völlig aus dem Ruder läuft. In den Medien wurde spekuliert, der Ölpreis könnte auf 200 Dollar je Barrel steigen. Niemand konnte voraussehen, dass genau das Gegenteil eintreten würde. Der Preisverfall beim Öl hat alle Experten überrascht, und er liegt derzeit mit rund 50 Dollar in Bereichen, auf die damals niemand hätte wetten wollen.

Jetzt hat die Hamelner Stadtwerke-Chefin Susanne Treptow angekündigt, die Hamelner Stadtwerke würden ab März den Gaspreis um 0,24 Cent pro Kilowattstunde senken.

Für Rinnebach keine Überraschung: „Das“, sagt Rinnebach, „haben wir für unsere Kunden beim Gas-Tarif ,Fix 24‘ schon vor über zwei Jahren getan und zwar 2012 zu einer Zeit, als das Barrel Öl noch deutlich über 100 Dollar lag, als völlig unklar war, wohin die Reise geht“.

Das Programm wurde 2014 nochmals verlängert. Das heißt, wer sich für den Gas-Tarif Fix 24 entschieden hat, hat bis heute jedes Jahr den Preisvorteil von 0,24 Cent gehabt. Zu Beginn waren es etwa 25 Prozent, inzwischen sind es über 50 Prozent aller Gaskunden der Stadtwerke Rinteln. Ein Programm, das nochmals für 2016/2017 fortgeschrieben werden soll. Hierbei soll auch zusätzlich die Preissituation auf dem Gasmarkt berücksichtigt werden.

Zurzeit liegen die Erdgaspreise je nach Tarif zwischen 5,86 und 6,06 Cent brutto pro Kilowattstunde, ohne Berücksichtigung des „Fix 24 Rabattes“. In Vergleichsportalen geht man von einem durchschnittlichen Jahresverbrauch einer Familie von 20000 Kilowattstunden aus. Rinnebach hält dies für zu wenig. Das stimme in der Großstadt, aber nicht bei uns auf dem Land. Für ein frei stehendes Einfamilienhaus sei ein Jahresverbrauch von 25000 Kilowattstunden realistischer.

Wie verwirrend die Marktlage ist, kann man im Internet nachlesen. Nach der Ermittlung des Vergleichsportals „Verivox“ haben zum 1. Januar 2015 nur 62 von 7000 Gas-Grundversorgern Preissenkungen angekündigt, die meisten halten ihre Preise stabil, zehn Anbieter wollen ihre Preise sogar erhöhen.

Wer in den diversen Preisvergleichsportalen googelt, dem werden zurzeit von manchen Anbietern Preisvorteile zwischen 200 und 400 Euro pro Jahr versprochen. Rinnebach weist auf die Möglichkeit hin, dass der Verbraucher jetzt kurzfristig ein „Schnäppchen“ machen könne.

Er stehe nur damit vor dem gleichen Problem wie beim Strom. Erwartungsgemäß werden, wenn der Kunde seinen Vertrag nicht rechtzeitig kündigt, nach dem ersten Jahr die Preise deutlich steigen. Wer profitieren will, müsste also „Gashopper“ werden, jedes Jahr den Anbieter wechseln. Eine stressige Angelegenheit mit oft fragwürdigem Erfolg. Die Stadtwerke setzten darauf, ihren Kunden langfristig marktgerechte Preise und Planungssicherheit zu bieten.

Die Stadtwerke bieten inzwischen für ökologisch bewusste Verbraucher auch CO2 neutrales Erdgas an. Naheliegende Frage: Man kann wohl kaum erwarten, dass wer CO2 neutrales Erdgas bestellt, auch nur CO2 neutrales Erdgas ins Haus geliefert bekommt?

„Nein“, sagt Rinnebach, „das ist eine Sache der Bilanzierung und erläutert das an einem simplen Beispiel: Stellen Sie sich das wie in einer Badewanne vor, die mit 100 Prozent benötigtem normalem Erdgas voll ist. Wenn sie jetzt 20 Prozent CO2 neutrales Erdgas einleiten und nicht wollen, das die Wanne überläuft, müssen sie zwangsläufig dieselbe Menge normales Erdgas ablassen. Das bedeutet aber, die CO2-Umweltbilanz der gesamten Erdgasmenge in der Wanne verbessert sich.“

© Schaumburger Zeitung, 16.01.2015