Elektroautos noch zu teuer

19.06.2015

Rinteln voll im Bundestrend: Kaum jemand fährt E-Mobil

Rinteln. Das Elektroauto (E-Auto) ist in dieser Woche Top-Thema in den Medien, seit die Elektroflaute Jobs bedroht und die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der „Nationalen Konferenz Elektromobilität“ angekündigt hat, die Bundesregierung denke jetzt zumindest über Sonderabschreibungen für E-Autos in Dienstwagenflotten nach.

Rund 100000 Elektroautos sollten schon auf den deutschen Straßen fahren, so war das Ziel von Bundesregierung und Industrie. Doch E-Autos sind bisher ein Flop: Gerade mal 18948 reine Elektrofahrzeuge waren Anfang dieses Jahres gemeldet.

Der Landkreis Schaumburg und Rinteln sind da ein exaktes Abbild der Situation im Land. Im Landkreis sind 48 reine E-Fahrzeuge gemeldet, war bei der Kfz-Zulassungsstelle in Stadthagen zu erfahren. In Rinteln fahren gerade mal 15 Stromer.

Fragt man unter E-Mobilisten herum, stellt man erstaunt fest, in Rinteln fahren sie oft einen ganz besonderen Wagen: so wie Hoimar von Ditfurth am Helenensee. Sein Evo Mobile Buono E-„Voltaire“ (benannt nach dem großen französischen Philosophen) ist ein Prototyp. Denn mehr als acht Fahrzeuge hat das Start-Up-Unternehmen im Ruhrgebiet nicht hergestellt. Im Grunde, sagt von Ditfurth, war das fast ein Wirtschaftskrimi. Das war die Zeit, als man sich vom E-Mobilbau noch hohe Renditen versprochen hat. Das Start-Up-Unternehmen hatte die Karossen für den „Voltaire“ in einer Behindertenwerkstatt in Spanien bauen lassen, dann Zuschüsse von der EU und vom Land kassiert. „Die hatten große Pläne, das sollte eine Flotte für Car-Sharing werden“. Doch die Unternehmer seien wohl auch technisch völlig naiv an die Sache herangegangen, sagt Ditfurth, „der Motor ist viel zu groß für das kleine Auto, gerade mal ein Zweisitzer, noch vierzig Zentimeter kürzer als der Smart. Die Batterie viel zu schwer“.

Ditfurth setzt das E-Mobil vor allem auf dem weitläufigen Helenensee-Gelände ein. Vorsichtshalber hat er über Ebay einen zweiten „Voltaire’“ ersteigert – als Ersatzteillager. Und der Elektro-Winzling ist, wenn man so will auch eine Art „Wiedergutmachung“. Denn der „Erstwagen‘“ von Ditfurth ist berufsbedingt ein Ford F150 aus den USA, ein Allzweck-SUV und Allradler, in dem man locker neben fünf Passagieren den Hausstand unterbringen kann.

Auch der Twizy des Rintelner Schaustellerfirmenchefs Marlon Klaasen ist etwas Besonderes. Es ist der Erste, der in Niedersachsen zugelassen worden ist. Der Renault Twizy ist halb Auto, halb Motorroller, Pilot und Sozius sitzen hintereinander. In einem Twizy, sagt Klaasen, „ist man Sympathieträger. Mir wird oft Vorfahrt gewährt, mich sprechen Leute an“. Seit dreieinhalb Jahren fährt er Twizy, nimmt ihn zu allen Messen mit. Da passt es, dass sich vom 14. bis 16. August auf dem Steinanger Twizyfahrer aus ganz Deutschland treffen (siehe Kasten).

Auch Achim Fritz, Chef des gleichnamigen Elektrobetriebes, hat einen besonderen Stromer auf dem Hof stehen: einen CM Colente. Der Kleintransporter basiert auf Karossen der Firma CMC (China Motor Corporation), deren Modelle Lizenznachbauten von Mitsubishi sind. Anfang der 90er wurden einige 100 Exemplare von der deutschen Firma Colenta zum Elektroauto umgebaut. Fritz erzählt, die Colentas finde man vor allem noch auf den Ostfriesischen Inseln, wo normale Kraftfahrzeuge verboten sind. Vor rund acht Jahren hat er den Wagen gekauft, nutzt ihn vor allem für Stadtfahrten.

Einer der ersten E-Mobilfahrer in Rinteln war Jörg Sasse, der nach wie vor überzeugt ist, E-Power werde sich langfristig durchsetzen. Sein Smart ist leise, pustet keine Abgase in die Umwelt, ist handlich und agil, die Technik eines Elektromotors unkompliziert im Vergleich zum Benziner, sagt Sasse. Er ist sich sicher, man werde alle Handicaps dieser Technologie überwinden, das sei nur eine Frage der Zeit.

Dass die Stadtwerke in ihrem Fuhrpark auch E-Fahrzeuge haben, versteht sich da fast von selbst. Wie Manfred Nowak erläutert, habe man vor rund vier Wochen zu dem Peugeot, der schon seit drei Jahren fährt, noch einen Renault dazu gekauft, mit dem die Mitarbeiter der kaufmännischen Abteilung unterwegs sind. Auch die Vollstreckungsbeamtinnen der Stadt Rinteln fahren seit zwei Jahren ein Elektroauto, einen E-up von VW.

Wer ein Elektroauto kaufen will, wird nicht bei allen heimischen Autohändlern fündig. Mazda, Hyundai und Suzuki bieten keine E-Fahrzeuge an. Seat hat zwar inzwischen einige Modelle entwickelt, die sind aber noch nicht auf der Straße. Warum, erfährt man bei Seat-Buddensiek in der Konrad-Adenauer-Straße: Die Nachfrage ist noch zu gering.

Woran es hakt beim E-Auto-Absatz, hat sich längst herumgesprochen. E-Autos sind (noch) zu teuer, die Akkus halten nur begrenzt. Auch das mit der Reichweite ist so eine Sache. Schaltet man im Sommer die Klimaanlage ein, dazu Licht und Radio, werden aus 150 Kilometern schnell nur noch 80. Und die Ökobilanz? Stimmt nur, wenn man Ökostrom tankt und die Herstellung wie Entsorgung der Batterien nicht einrechnet.

Zumindest das Problem, eine Ladestation im öffentlichen Raum zu finden, gibt es in Rinteln nicht: Die Stadtwerke betreiben zwei Stationen am Weseranger, außerdem in der Wallgasse und am Steinanger. Doch einmal volltanken heißt: Zwei Stunden warten. Hier hilft das Internet bei der Planung. Man kann nicht nur sehen, ob die Tanksäulen belegt sind und wie lange, sondern eine freie Säule auch reservieren.

 

© Schaumburger Zeitung, 19.06.2015