Beim Fahren Vögel zwitschern hören

17.08.2015

Bundestreffen der Twizy-Fahrer lockt 80 Teilnehmer und viele neugierige Besucher an

Rinteln. Natürlich hat der eine oder andere Rintelner schon mal das kleine Elektrogefährt von Renault, den Twizy, gesehen und gedacht: „Ach Du meine Güte, wer fährt denn so was?!“ Doch nachdem es an diesem Wochenende quasi eine Twizy-Invasion in Rinteln gegeben hat, dämmerte es manchem, dass es womöglich mehr Menschen als gedacht gibt, die diese kleinen Flitzer im Alltag fahren.

Sie fahren sie mit Begeisterung, das konnte man sehen. Und sie fahren sie zu allen alltäglichen Zwecken, das konnte man sich erzählen lassen. Michael Hoppe aus der Gegend um Darmstadt zum Beispiel leitet einen ambulanten Pflegedienst: „Ich nutze den Twizy, um meine Patienten zu besuchen. Und dabei freue ich mich meines Lebens.“ Christiane Bräutigam, die mit ihrem Mann aus Kassel angereist ist, liebt das Fahren mit ihrem kleinen Original auf vier Rädern: „Wir nutzen ihn das ganze Jahr über. Wenn es sehr unwirtlich wird, bauen wir die Scheiben ein.“

Seitenscheiben gehören beim Twizy, der als „offenes Fahrzeug“ konzipiert ist – das macht ihn im Bereich der Kfz-Versicherung supergünstig –, nicht zur Ausstattung. Die müssen sich die Fahrer selbst besorgen. Gerade den Winter findet hingegen Mario Möller ganz besonders attraktiv. Als Freund einer rasanteren Fahrweise liebt er es, mit dem Twizy um die Kurven zu schlittern. Das kann man, wenn man es kann, man muss es aber nicht. Mit Winterreifen versehen soll der Twizy nämlich ein zuverlässiger Gefährte auch bei Eis und Schnee sein, versichern die erfahrenen Elektromobilisten.

Doch ein bisschen abgehärtet müssen Twizy-Fahrer in der kalten Jahreszeit wohl sein. „Wenn es schneit, liegt der Schnee bei uns nicht nur auf dem Dach, sondern auch auf dem Sitz“, erzählt Frank Beß aus Uelzen. Doch auch für solche Fälle findet sich eine Lösung. Sitze werden vorsorglich abgedeckt, und ein Handfeger liegt bereit. So ein bisschen Wetter kann einen echten Twizy-Fahrer doch nicht schrecken.

Die zweite Besonderheit neben den fehlenden Scheiben, die Besuchern sofort auffällt, ist die geringe Größe des umweltfreundlichen Mobils. „Kein Problem“, winken die Fans ab. „Die Leute staunen immer, was ich so alles im Twizy unterbringe“, berichtet Christiane Bräutigam. „Großeinkauf, Getränkekisten, passt alles rein.“ Wer regelmäßig sperrige oder sehr voluminöse Dinge transportieren muss, kann sich mittlerweile auch eine Anhängerkupplung anbauen lassen. Die hat der anwesende Christian Wolf entwickelt. So sind selbst Brennholztransporte oder die Abgabe von Grünschnitt auf der Deponie zu bewerkstelligen.

Einen Hingucker hatte der Homburger Thomas Kaffenberger an der Kupplung: einen Anhänger im Wohnwagenlook, mit kleinem Fenster, in dem man wirklich auch übernachten kann. „Sie sehen hier ein weltweites Unikat. Die Produktion beginnt gerade erst, und ich habe mich mächtig beeilt, den Anhänger zusammenzubauen, damit ich ihn hier vorstellen kann“, erklärte Kaffenberger, der ständig von einer Traube Neugieriger umlagert war.

Beim Bundestreffen kommt ein bunt gemischtes Völkchen zusammen. Da gibt es die, die schon immer außergewöhnliche Fahrzeuge mochten, und die jetzt mit dem Twizy ihren ersten elektrisch betriebenen „Schatz“ gefunden haben. Und es gibt die Fans, die sich aus dem ökologischen Denken heraus der Elektromobilität genähert haben.

Verbindung und Gemeinsamkeit stellen sich über die Erlebnisse bei den täglichen Touren her. „Beim Autofahren die Vögel zwitschern hören. Das ist herrlich“, schwärmt Mario Möller und erhält gleich die Zustimmung der Umstehenden. „Andere Verkehrsteilnehmer können ganz schön nerven“, berichtet ein aus München angereister Gast. „Erst kleben sie hinter einem her und gucken neugierig oder fotografieren sogar, dann fällt ihnen wieder ein, dass sie eigentlich überholen wollten. Ich fahre mittlerweile auf der Landstraße lieber langsame 55 Stundenkilometer. Das macht solche plötzlichen Überholmanöver sicherer.“

„Man wird auch sensibler, was den Motorlärm angeht“, ergänzt Frank Beß. „Wenn ich bei uns vor der Eisdiele sitze, die liegt direkt an der Straße, dann träume ich immer davon, dass da in zehn Jahren nur noch leise Elektroautos vorbeifahren. Das wäre wirklich ein anderes Leben.“

© Schaumburger Zeitung, 17.08.2015