Wo ist die nächste Steckdose?

11.08.2015

Alles elektrisch auf vier Rädern: Bundesweites Twizy-Treffen in Rinteln

Rinteln. 720 Kilometer von München nach Rinteln auf Land- und Bundesstraßen in 54 Stunden. Das ist ein neuer Rekord! Für den Twizy. Geschafft haben das am Wochenende Otto Schönbach und seine Freundin Maria Ehmann, beide Organisatoren des bundesweiten Twizy-Treffens am kommenden Wochenende auf dem Steinanger.

Der Renault Twizy hat von allem etwas, ein bisschen Auto, ein bisschen Roller, ein bisschen Quad, 18 PS und 80 Stundenkilometer schnell. Und er ist ein Elektromobil – was die 54 Stunden für 720 Kilometer erklärt. Denn spätestens nach einer Stunde Vollgas ist man auf der Suche nach einer Steckdose. Deshalb hatte Schönbach von München bis Rinteln viel Zeit für Telefongespräche und E-Mails zwischendurch. Dazu muss man allerdings fairerweise sagen, der Renault Twizy ist eigentlich nicht als Langstreckenfahrzeug konzipiert, sondern als Stadtflitzer.

Eineinhalb bis zwei Stunden dauert es, bis der Akku wieder voll geladen ist. Dass es manchmal länger dauert, schildert Schönbach hat keine technische, sondern gesellschaftliche Ursachen. „Klingeln wir an einem Privatgrundstück sind alle erst einmal skeptisch, für wie viel Euro Strom zapft ihr denn ab. Dann gibt es Kaffee und Kuchen. Einmal haben Nachbarn gerade im Garten gegrillt, da kommt man so schnell nicht wieder los. Denn alle wollen wissen, wie Twizys fahren?“

„Man sieht viel von der Landschaft“, sagt Schönbach, „wir sind ja nur auf Land- und Bundesstraßen unterwegs, nicht auf der Autobahn.“ Nervt das nicht, höchstens 80? „Naa“ hießt nein, sagt Schönbach als Bayer, in München ist er Theatermeister. „Nervig sind nur die Überholer, die hupen, zu dicht auffahren, sich durch unser Tempo am Berg persönlich angegriffen fühlen. Dabei wissen viele nicht, dass wir sie bei einem Ampelspurt locker abziehen würden.“

Twizy-Fahren, so sagt Schönbach, ist wie eine Partie Schach, man muss planen und mit Bedacht handeln. Beispielsweise unter goingelectric findet man im Internet ein Verzeichnis von Ladestationen und einen speziellen Routenplaner für E-Mobilität. Am Ende schnurrt dann so eine Tour statt auf Städte und Dörfer, die man durchquert hat, auf Ladestationen zusammen: die RWE-Säule in Brakel, die Säule in Breuna vor der Therme, in Fritzlar vor dem „Grauen Turm“, in Alsfeld direkt an einem Modeladen, in Fulda am Hotel Iris.

In Bad Windsheim wurden die beiden an einem Caravan Park abgewiesen, angeblich brauche man jede Steckdose für die Camper. Dafür machte dann die Firma Seiler ihre Tore auf, die einen ganzen Fuhrpark von E-Mobilen vorhält: „Der Chef selbst führte uns ins klimatisierte Büro und brachte kaltes Mineralwasser.“

Am Sonntagmorgen um ein Uhr sind Schönbach und Maria Ehmann im Hotel „Waldkater“ angekommen und wurden gleich positiv überrascht: In der Hotelgarage gibt es eine Ladesäule für E-Mobile.

Warum er mit dem Twizy von München nach Rinteln gefahren ist? „Ehrensache“, sagt Schönbach als Organisator des Twizy-Treffens. Am kommenden Wochenende will er mit einem Lastwagen kommen, wegen des Equipments.

Bisher haben sich 73 Twizy-Fahrer angemeldet, dazu Fahrer von Opel Ampera, Chevrolet Volt, Renault-Zoes, Twikes (das ist ein dreirädriges Leichtelektromobil). Schönbach erwartet auch Teslas, die „Königsklasse“, Autos mit 700 PS, die so um die 100 000 Euro kosten.

Für E-Autos sagt Schönbach gibt es heute zwei große Hürden: den Preis und die „Reichweitenangst“. Und das sei nicht nur der Akkutechnik geschuldet. „Wir haben deutschlandweit rund 2000 öffentliche, gelistete Ladestationen. Ein Dschungel“, sagt Schönbach, „nicht nur die Ladesysteme, damit die Ladekabel sind unterschiedlich, sondern auch die Bezahlung.“ Er selbst habe 14 Ladekarten eingesteckt. Für ganz Deutschland bräuchte er mindestens 200. „Stellen Sie sich vor, Sie bräuchten für jede Tankstelle von Aral, Shell, Esso oder Jet eigene Karten, um dort tanken zu können“, rät Schönbach. Manche Ladestationen könne man übers Tablet freischalten, viele nicht.

Sein Lob für Rinteln: Hier kann man wenigstens an den Ladesäulen auch mit Bargeld bezahlen. Wie es gehen könnte, sagt Schönbach, zeige Holland. Dort gilt eine Ladekarte im ganzen Land. Bei uns seien hier auch die Kommunen gefordert. „Ladestationen an jedem Rathaus, jedem Amt, wären schon ein Schritt.“ Was geht, habe Aldi Süd vorgemacht. Dort können Kunden an den Märkten ihre E-Autos auftanken, während sie einkaufen.

Das Twizytreffen, das von den Stadtwerken mit gesponsert wird, beginnt am Freitag, 14. August, um 11 Uhr auf dem Steinanger. Das SCR-Clubhaus wird zum „Fahrercasino“, wo Workshops und die „Lade-Party“ am Samstagabend stattfinden. Am Samstag gibt es ab 11 Uhr eine Stadtrundfahrt, um 15.30 Uhr werden die „Offiziellen“ am Steinanger begrüßt. Am Sonntag ab 11 Uhr verteilen Schönbach und seine Crew die Preise, unter anderem für die weiteste Anreise.

Willkommen, betont Schönbach, sind selbstverständlich alle Bürger, die sich über E-Mobile informieren wollen. Auch Probefahrten sollen möglich sein. Schönbach sagt: „Worte erreichen oft nichts, bei jemand der voreingenommen ist. Aber fünf Minuten Twizy fahren und jeder steigt mit einem breiten Grinsen wieder aus.“

Weitere Einzelheiten über die Twizys und die Veranstaltung gibt es im Internet unter bundestwizytreffen.

© Schaumburger Zeitung, 11.08.2015