Weil in Holland die Erde bebt

14.02.2018

Kein Erdgas mehr aus den Niederlanden - Stadtwerke stellen 5000 Heizanlagen auf Nordsee-Gas um

Bis 2024 werden in Rinteln alle Gasheizungen und Herde der rund 5000 Gaskunden umgestellt. Und zwar vom bisherigen L- auf sogenanntes H-Gas. Deshalb wollen die Stadtwerke in diesem Jahr damit beginnen, Heizkessel, Thermen und Herde ihrer Kunden zu erfassen, damit die Umstellung problemlos klappt.

Dipl.-Ing. Thomas Sewald, technischer Leiter der Stadtwerke, sagt, wenn wir umstellen, müssen wir wissen, welche Gasgeräte bei unseren Kunden in Betrieb sind. Würden wir damit erst zum Zeitpunkt der Umstellung anfangen, könnte es passieren, dass bei manchen Kunden die Heizung kalt bleibt, sie nicht mehr kochen können. Deshalb wird ab diesem Jahr begonnen, die Geräte aller Kunden zu erfassen.

Andere Stadtwerke schicken dafür externe Dienstleister von Haus zu Haus. Sewald betont: „Wir haben genügend Vorlaufzeit und Kundenkontakte, um das selbst zu erledigen.“ Praktisch gebe es dafür mehrere Möglichkeiten, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen beim Kunden: So werden Kunden angeschrieben und gebeten, das Typenschild ihres Kessels, ihrer Therme oder ihres Herdes zu fotografieren und den Stadtwerken zuzuschicken. Oder ein Ableser macht das am Jahresende oder ein Mitarbeiter kommt in den Haushalt.

Je nach Alter und Typ der Gasanlage muss nachgerüstet werden. Meist nur mit veränderten Düsen und Dichtungen, das ist die einfachste Lösung. Sewald versicherte, das würde den einzelnen Kunden nicht in Rechnung gestellt.

Was ist, wenn sich eine alte Heizung nicht umstellen lässt? Sollte sich herausstellen, dass eine neue Therme installiert werden muss, was Sewald nur in höchstens ein Prozent aller Fälle erwartet, würden die Stadtwerke ein für den Kunden passendes Finanzierungsmodell anbieten. Eine neue Therme mache ohnehin Sinn, weil solch alte Heizungen meist auch ineffizient und damit teuer sind.

Gasthermen ab dem Jahrgang 2016 sind technisch so ausgerüstet, dass sie sich selbst auf unterschiedliche Gassorten einstellen.

Warum müssen Gasheizungen und Herde nachgerüstet werden? Zurzeit kommt in Rinteln sogenanntes L-Gas (low calorific gas) in die Leitungen, künftig wird es H-Gas (high calorific gas) sein. L-Gas kommt aus den Niederlanden. Ab 2030 soll kein niederländisches Gas mehr nach Deutschland fließen.

H-Gas kommt aus der Nordsee, aus Norwegen, Russland und Großbritannien und hat, wie der Name (high calorific) schon verrät, mehr Wärmepower.

Wird das Gas wegen der Umstellung teurer? Nein, sagt Sewald. Abgerechnet wird nach Kilowattstunden. Da H-Gas einen höheren Brennwert besitzt, braucht man weniger Gas für dieselbe Leistung.

Die Bundesnetzagentur hat einen Aktionsplan aufgestellt, in dem festgelegt wird, wann welche Region auf H-Erdgas wechselt. Sewald sagt: „Wir sind dabei von Hannover abhängig. Da liegt ein großer Gasknoten, also Verteiler. Erst wird in Hannover umgestellt, dann bei uns.“

Erdgas ist ein Naturprodukt und hat einen unterschiedlichen Brennwert, abhängig von der Sorte und sogar vom Luftdruck – was die Berechnung aufwendig macht. Gaszähler sind im Prinzip nichts anderes als Luftpumpen und registrieren nur das Volumen, das ein Kunde zum Heizen oder Kochen verbraucht.

Man hat sich deshalb für die Berechnungen auf einen „Normkubikmeter“ geeinigt und ermittelt dazu die Temperatur, mit der ein Brenner arbeitet, und den Druck. Daraus ergibt sich, wie viel Kilowattstunden Wärme, also Brennwert, ein Kubikmeter Erdgas liefert.

Bei L-Gas, wie es in Rinteln ankommt, sind das etwa 9,6 bis 9,8 Kilowattstunden, bei H-Gas bis zu 12 Kilowattstunden.

Gas ist ein fossiler Energieträger. Aber Gas sei nach wie vor der effizienteste Energieträger mit dem besten Wirkungsgrad, erklärt Sewald. Er sehe deshalb langfristig noch nicht, wie Erdgas abgelöst werden sollte.

Wärmepumpen für Erdwärme verbrauchen Strom – mehr als zurzeit regenerative Energien liefern können, sollten die meisten Häuser bei uns damit ausgerüstet werden. Außerdem sind Wärmepumpen wartungsintensiv, man muss die Technik im Blick haben, beispielsweise öfter prüfen, ob kein Filter dicht ist. Denn das würde wiederum den Stromverbrauch in die Höhe treiben.

Warum bekommen wir kein Erdgas mehr aus den Niederlanden? In den Niederlanden bebt seit den 80er-Jahren die Erde. Zwar sind es nur sogenannte „Mikrobeben“, aber in jüngster Zeit bebt es immer häufiger und heftiger. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Beben entstehen, weil durch die Entnahme des Gases der Druck in der Lagerstätte sinkt. So bauen sich Spannungen auf, die sich in den Erschütterungen entladen.

Der durch das Erdbeben ausgelöste Protest gegen die Gasförderung führt nun dazu, dass die Niederlande die Förderung nur noch auf den Eigenbedarf begrenzen wollen.

© Schaumburger Zeitung, 14.02.2018