Status Quo
Auf unserem Werksgelände im Bahnhofsweg in Rinteln sanieren wir seit 2021 das Grundwasser. Über das Verfahren, die Hintergründe der Maßnahme und ihre Fortschritte informieren wir Sie auf dieser Seite.
Übersicht
Sept 2021 | Demnächst wird Anlage 3 in Betrieb genommen. Kurz darauf läuft der komplexe Aufbau der Sanierungsanlagen auf Hochtouren. |
17.06.2021 | Die zweite Anlage hat den Betrieb aufgenommen |
03.06.2021 | Die erste Anlage ist in Betrieb |
01.06.2021 | Genehmigung zur Grundwassersanierung durch Landkreis Schaumburg erteilt |
2020 | Start Sanierungsarbeiten |
2015 - 2019 | Untersuchungen auf dem Gelände Betriebszentrale Stadtwerke Rinteln |
1896 - 1964 | Gaswerkbetrieb für Stadtgas Rinteln |
Hintergrund
Stadtgas.
Wie in vielen anderen Städten auch wurden in der Stadt Rinteln die Straßenlaternen lange mit Gas betrieben. Das wurde in örtlichen Gaswerken aus Kohle oder Koks erzeugt. Auch zum Kochen und teilweise zum Heizen verwendete die Einwohnerschaft dieses sogenannte Stadtgas. Das Gaswerk in Rinteln war von 1896 bis 1964 in Betrieb. Denn bis dahin gab es noch kein Erdgasnetz in der Region.
Produktionsrückstände.
Rückstände, die bei der Produktion entstanden sind, drangen damals zum Teil in den Boden ein. Das waren zum Beispiel Schlacke und Ammoniak. Sicherheitsvorkehrungen im heutigen Ausmaß kannte man damals noch nicht. Auch am Standort des ehemaligen Gaswerks in Rinteln, der auf dem jetzigen Werksgelände der Stadtwerke Rinteln liegt, sind solche Altlasten gefunden worden. Diese werden jetzt mit einem innovativen Verfahren entfernt.
Systematische Ortung.
Im Jahr 2015 hat der Landkreis Schaumburg angefangen, Flächen systematisch zu untersuchen, die aufgrund früherer Nutzung mit Schadstoffen verunreinigt sein könnten. Auf dem Stadtwerkeareal, am ehemaligen Standort des Gaswerks, wurden sie an zwei Stellen fündig. Die betroffenen Flächen waren zu diesem Zeitpunkt längst überbaut und versiegelt.
Ausmaß der Altlast.
Da der Bereich des ehemaligen Gaswerks früh überbaut worden ist und die Oberfläche durch die Anlage von Wegen und Höfen weitgehend versiegelt wurde, konnte kaum Wasser in den Boden eindringen. Die im Boden vorhandenen Stoffe sind dadurch weitgehend an ihrem Ursprungsort gebunden. Das Ausmaß der Altlasten ist von Experten genau untersucht worden: Es gibt zwei Schadensherde auf dem Gelände der Stadtwerke, sogenannte Hotspots. Der eine befindet sich im Bereich der ehemaligen Gasproduktion, der andere im Bereich der ehemaligen Abfallsammelanlage. Aufgrund der dort gefundenen Altlasten besteht Sanierungsbedarf, was das Grundwasser betrifft. Denn die Analysen haben ergeben, dass sich einer der gefundenen Stoffe in geringen Mengen im Wasser löst und das Stadtwerke-Gelände verlässt.
Schadensherde und Stoffe
Stoffe.
Die ersten Untersuchungen des Untergrunds auf dem Werksgelände der Stadtwerke Rinteln fanden im Auftrag des Landkreises Schaumburg im Jahr 2015 statt. Dieser untersuchte damals systematisch Orte, die aufgrund ihrer früheren Nutzung altlastenverdächtig waren. Dabei wurden auf dem Betriebsgelände drei auffällige Stoffe gefunden: Cyanide, PAK und Acridion.
Zur Konkretisierung und Eingrenzung der Befunde wurden seither weitere Untersuchungen auf dem Gelände und auf angrenzenden Grundstücken durchgeführt. Die genaue Lokalisierung und Konzentration in den jeweiligen geologischen Bodenschichten und der Grundwasser führenden Schicht wurden im Jahr 2020 abgeschlossen. Das Ergebnis: Es besteht Handlungsbedarf aufgrund der Cyanide auf dem Stadtwerke-Gelände. Außerhalb des Stadtwerke-Areals finden sich Cyanide in abnehmender Konzentration im Grundwasser mancher direkt benachbarter Flächen. Außerhalb dieser Bereiche liegen die Werte aller identifizierten Stoffe unterhalb der erlaubten Leit- und Grenzwerte der Trinkwasserverordnung.
Sanierung
Konventionelles Verfahren.
Üblicherweise wird bei Altlasten im Untergrund der Boden in den belasteten Zonen ausgehoben und als gefährlicher Abfall entsorgt. In Rinteln ist das betroffene Gelände seit Jahrzehnten komplett überbaut. Es müssten also vor dem Bodenaushub Hallen und Häuser abgerissen sowie Höfe und Wege rückgebaut werden. Sanierung und Entsorgung des belasteten Materials würden bei diesem klassischen Verfahren rund 9 Millionen Euro kosten. In diesen Kosten ist der Wiederaufbau der Gebäude und Wegeanlage noch nicht berücksichtigt.
Innovatives Verfahren.
Landkreis Schaumburg und Stadtwerke Rinteln haben sich nach gründlicher Abwägung der Vor- und Nachteile aller Methoden gemeinsam für ein innovatives biologisches Sanierungsverfahren entschieden. Dessen Wirkung wurde vor der finalen Entscheidung zuerst in einem Testfeld erprobt. Die durchgeführten Testfeld- und Laborversuche zeigten bei Cyaniden eindeutig einen schnellen Abbau. Saniert wird bei dieser Methode nicht der belastete Boden unter der Versiegelung, sondern das darunter liegende Grundwasser. Denn nur Schadstoffe, die es bis dorthin geschafft haben, können das Werksgelände verlassen, und zwar ausschließlich in Fließrichtung des Grundwassers. Das Grundwasser in diesem Bereich bewegt sich sehr langsam und in Richtung der stillgelegten Bahnlinie. Die Sanierung auf diese Art dauert zwei bis drei Jahre und kostet nach heutiger Einschätzung rund eine Million Euro. Nach gründlichen Tests haben sich der Landkreis Schaumburg und die Stadtwerke Rinteln gemeinsam dafür entschieden. Das Beste daran: Es ist rein biologisch, kostengünstiger und es fällt kein Sondermüll an.
Wesentliche Vorteile des innovativen biologischen Verfahrens
- Gebäude, Höfe und Wege können weiterbetrieben werden. Sie müssen nicht abgerissen werden.
- Es fällt kein Bauschutt an.
- Die Erde muss nicht ausgetauscht werden und teuer als gefährlicher Abfall entsorgt werden.
- Es entsteht kein Sondermüll.
- Es muss kein Boden von woanders hertransportiert werden.
- Geringere Beeinträchtigung für Anlieger und Straßenverkehr.
- Die Stadtwerke können ihren Betrieb an der jetzigen Stelle weiterführen und müssen nicht vorübergehend ein Provisorium anderswo errichten.
- Das Verfahren kostet nur rund ein Zehntel des konservativ-klassischen Bodentauschverfahrens (Wiederaufbau der Gebäude nicht mitgerechnet).
Innovatives Verfahren: So funktioniert’s
Die Sanierungsarbeit leisten Mikroorganismen.
Bei dem gewählten Verfahren fressen Mikroorganismen die Schadstoffe einfach auf und sorgen so dafür, dass die Belastung schnell zurückgeht. Mikroorganismen einzusetzen ist an sich nicht neu, auch in Kläranlagen und bei der Erzeugung von Biogas leisten sie wertvolle Dienste. Bei der Altlastensanierung in Rinteln werden winzige Helfer genutzt, die dort sowieso schon im Boden leben. Ihre Anzahl ist jedoch noch zu gering, um einen guten Job zu machen. Deshalb werden die Kolonien im ersten Schritt auf natürliche Weise vermehrt. Das funktioniert über eine leckere Zusatznahrung, nämlich Zucker, und reichlich Sauerstoff. Auf diese Weise vermehren sie sich zu einer Stückzahl, die ausreicht, um die Altlasten einfach wegzufressen. Genial: Ohne Bagger und ohne Bodenaustausch schaffen sie es, dass die Schadstoffbelastung schnell abnimmt.
Grundwasser in Hotspot-Zonen auf Kreislauf getrimmt.
Im ersten Schritt haben Fachfirmen (M&P Ingenieurgesellschaft mbH und Sensatec GmbH) über 100 Löcher gebohrt, die bis in die Grundwasser führende Schicht in 3 bis 9 Metern führen. Über 60 dieser Löcher – sogenannte Sanierungsbrunnen – werden die Bakterien mit der Zuckerlösung gefüttert. Nach einiger Zeit stellt man die Zusatznahrung ein. Dann machen sich die Organismen über das belastete Material her und vernichten so die Schadstoffe. Im Januar 2021 haben die beauftragten Firmen mit der Errichtung der erforderlichen Infrastruktur und dem Anlagenbau für die komplexe Sanierung begonnen. Die über 60 Brunnen sind in neun Zirkulationszellen aufgeteilt, die über drei Anlagen gesteuert werden. Durch die Leitungen werden Sauerstoff und Glukose in den belasteten Boden eingeleitet; das Wasser aus der grundwasserführenden Schicht in den Schadensgebieten wird im Kreislauf geführt. Dafür nutzen die Fachleute Hydraulik. Die Druckverhältnisse sind so eingestellt, dass kein belastetes Wasser das Grundstück verlassen kann. Auf dem Stadtwerke-Gelände sind dafür Schläuche verlegt worden, die an den Gebäudewänden oberirdisch befestigt sind. Gesteuert wird das Ganze über drei Anlagen, die auf dem Betriebshof verteilt sind. In eine dieser Anlagen führt auch die Kabelbrücke mit den elektrischen Leitungen, damit die Firmenfahrzeuge den Betriebshof weiterhin befahren können.
Erste Anlagen in Betrieb.
Inzwischen sind alle Sanierungsbrunnen errichtet und an die drei Anlagen angeschlossen. Der Landkreis Schaumburg hat dafür am 1. Juni 2021 die Erlaubnis erteilt. Seit 3. Juni 2021 ist die erste Anlage in Betrieb; seit 13. Juli 2021 die zweite. Die Sauerstoffinjektion an Anlage 1 läuft seit Juli 2021 und jetzt – im September – beginnen dort die Fachfirmen mit der Glukosefütterung.
Monitoring.
Die Erfolge der Sanierung können durch das bereits eingerichtete Grundwassermonitoring verfolgt werden. Die Anlagen erheben sowohl die Fließrichtung des Wassers als auch die Konzentration der Bodenbestandteile. Die Sanierungsmaßnahme wird dazu an über 40 Grundwassermessstellen engmaschig überwacht.
Zur Entwicklung der Sanierungsstrategie waren im Vorfeld viele Labortests erforderlich und letztendlich auch der Aufbau eines kleinen 10 mal 10 Meter großen Testfeldes am Standort selbst. Im Ergebnis zeigte sich sowohl im Labor als auch im Testfeld, dass innerhalb kürzester Zeit ein Schadstoffrückgang zu beobachten ist, wie auch die Abbildung unten zeigt.